Nachtzuschlag für Zeitungszusteller - Gesundheitsschutz vs. Medienfreiheit

Nachtzuschlag für Zeitungszusteller - Gesundheitsschutz vs. Medienfreiheit

Nachtzuschlag für Zeitungszusteller – Gesundheitsschutz vs. Medienfreiheit

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 10.11.2021 (10 AZR 261/20) entschieden, dass für das Austragen von Zeitungen in Dauernachtarbeit ein Ausgleich durch einen Zuschlag i.H.v. 30 % auf das Bruttoarbeitsentgelt vom Arbeitgeber zu zahlen ist.

Die Klägerin war bei der Beklagten, einer Zeitungsvertriebs- und Servicegesellschaft, als Zeitungszustellerin beschäftigt und arbeitete regelmäßig an allen Werktagen mehr als 2 Stunden in der Zeit zwischen 1:30 und 6:00 Uhr. Die Beklagte leistete einen Nachtarbeitszuschlag von 10 %. Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage einen um 20 % höheren Nachtarbeitszuschlag.

Die Klägerin hat in sämtlichen Instanzen Recht bekommen. Das Bundesarbeitsgericht hat bestätigt, dass aufgrund der besonderen Belastung der Klägerin, die über einen Zeitraum von vier Monaten Dauernachtarbeit geleistet hat, ein Zuschlag von 30 % angemessen ist, um einen adäquaten Ausgleich für die durch die Nachtarbeit verbundene gesundheitliche Belastung oder die fehlende Teilhabe am sozialen Leben zu schaffen.

Die Beklagte hat gegen die Klage eingewendet, dass die Erhöhung eines Zuschlags auf 30 % einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit darstelle und zudem die ebenfalls grundgesetzlich garantierte Medienfreiheit gefährde. Dieses hat das Bundesarbeitsgericht nicht gelten lassen: Die Medienfreiheit, so das Bundesarbeitsgericht, gewährleistet nicht, dass Medienerzeugnisse verbreitet werden können, ohne die allgemein geltende Rechtsordnung zu beachten. Nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes ist der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer, der unter anderem durch die Gewährung eines Zuschlags für Nachtarbeit gefördert werden soll, ein überragend wichtiges Gemeinwohl von Verfassungsrang, dem insbesondere auch nicht wirtschaftliche Erwägungen untergeordnet werden dürfen.

Das Bundesarbeitsgericht festigt mit diesem Urteil zur angemessenen Höhe eines Nachtzuschlages seine bisherige Rechtsprechung, wonach ein Nachtzuschlag von 30 % des jeweiligen Bruttostundenentgeltes bei dauerhaft geleisteter Nachtarbeit regelmäßig angemessen ist. Eine Verringerung des Nachzuschlages kommt nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur dann in Betracht, wenn beispielsweise in den Nachtstunden Bereitschaftsdienst geleistet wird, Nachtarbeit aus zwingenden Gründen unvermeidbar ist oder überragende Gründe des Gemeinwohls die Nachtarbeit zwingend erforderlich machen. Einer Verringerung des Nachzuschlages aus rein wirtschaftlichen Gründen hat das Bundesarbeitsgericht auch im vorliegenden Urteil im Interesse der Gesundheit des Arbeitnehmers eine Absage erteilt.

 

Aktuelle Veröffentlichungen


  • 24.04.2019 | „Arbeitsvertrag versus Betriebsvereinbarung"
  • 11.04.2018 | „Der interne Datenschutzbeauftragte“
  • 09.06.2017 | „Mindestlohn in der aktuellen Diskussion"
  • 08.06.2016 | „Der Geschäftsführer als Arbeitnehmer“
  • 16.09.2015 | „Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse im Arbeitsrecht“

Weitere Veröffentlichungen


  • 14.05.2018 | „Das neue Datenschutzrecht“
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  • 04.09.2018 | „Datenschutz 2018 – Auswirkungen im Bereich sozialer Arbeit“
    Vortrag Gesellschaft für angewandte Sozialpädagogik und Therapie mbH
  • 01.12.2007 | „Marathon im Arbeitsrecht“
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